Ein neues Flaggschiff für die Interflug

Seit der Flugsaison 2021 erweitert ein Duo Discus T die Vereinsflotte. Der sportliche Zweisitzer ist dabei längst nicht nur ein neues Aushängeschild für den Berliner Club. Mit viel persönlichem Einsatz wollen die Mitglieder so auch zeigen, was in Zukunft vom traditionsreichen Flugplatz Friedersdorf fliegerisch möglich ist. Denn der neue Berliner Luftraum macht nicht nur den Streckensegelflug deutlich entspannter.

Duo Discus im Start EDCF
Der 2021 angeschaffte Duo Discus T im Start.
Foto: Julius Wartig

Neue Freiheiten dank BER
Der Flugplatz Friedersdorf gehört definitiv zu den Profiteuren der Luftraumneuordnung durch die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER. Statt einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Höhenfreigaben, sind seit Anfang 2021 Fakten geschaffen: Die neue Luftraumuntergrenzen von 1067 Metern über dem Platz, beziehungsweise 1676 Metern in nur 6 Kilometern Entfernung, sind kein Vergleich zur vorher gültigen Maximalflughöhe von 762 Metern! Nicht zuletzt durch die frühe Veröffentlichung der Luftraumanpassung um Berlin waren diese Erleichterungen für den LSC Interflug Berlin und seine 130 Mitglieder langfristig planbar.


Anfang 2019 fiel dann auch die Entscheidung: Zu den streckenflugtauglichen Einsitzern des Vereins, wie LS 1-d, LS 4 und LS 7-WL sollte noch ein Hochleistungs-Doppelsitzer kommen. Eine bittere Pille gab es trotzdem zu schlucken. Um das Wunschflugzeug, einen Schempp-Hirth Duo Discus XLT, finanzieren zu können, musste sich der Verein von zwei Einsitzern, darunter dem Kunstflugzeug SZD-59 Acro, trennen. Schwere Entscheidungen wie diese müssen auch viele andere Flugsportvereine treffen: Steigende Wartungs- und Betriebskosten, stagnierende Mitgliederzahlen sowie mangelnde Auslastung machen es schwer für einen Club alle Aspekte des Sports mit entsprechenden Vereinsflugzeugen abzubilden. Es galt also Kompromisse zu finden: „Das war eine wichtige Weichenstellung für unseren Verein. Dieses Ziel haben wir von da an konsequent verfolgt. Wir haben durchgehalten und unser großer Traum ist nun fast genau zwei Jahre später Wirklichkeit geworden. Wir sind im Moment der glücklichste Verein auf diesem Planeten und freuen uns auf viele unfallfreie Flüge mit unserem neuen Flaggschiff. Erfolg hat bekanntlich viele Väter, besonderes möchte ich aber Peter Wartig und Mathias Simon danken, ohne deren Engagement und Unterstützung das ganze nicht so schnell geklappt hätte.“, so Stefan Kaden, Vorstandsvorsitzender des LSC Interflug Berlin.

Luftraumkarte EDCF
Der „neue“ Luftraum um den BER bringt Erleichterungen für Friedersdorf (EDCF).
Grafik: Deutsche Flugsicherung GmbH

Foxtrott Bravo“ im Anflug
Anfang 2021 bot sich die Chance, einen gebrauchten Duo Discus T zu kaufen. Der Duo Discus T verzichtet zwar auf einige kleinere Anpassungen seines etwas jüngeren Bruders XLT, ist dafür aber bezahl- und vor allem verfügbar. Mehr als 600 Exemplare der aus Kohle-, Glas-, und Aramid-Fasern gefertigten Flugzeug-Familie sind seit 1993 hergestellt worden. Neben einem Zweitaktmotor mit Faltpropellern, Einziehfahrwerk und Wassertanks für den Streckenflug überzeugt der „Duo“ vor allem durch seine Flugleistungen.
Die charakteristischen, mehrfach geknickten Flügel mit 20 Metern Spannweite sorgen für eine Gleitzahl von 43 und ein geringstes Sinken von höchstens 0,66 Metern pro Sekunde bei rund 110 km/h. Das prädestiniert den Duo Discus zum Streckenflieger – und ist sogar 28 Jahre nach seinem Erstflug noch eine Ansage im Wettbewerbsbereich.

Der Duo Discus T mit augeklappter Heimkehrhilfe.
Foto: Julius Wartig

Für ein sicheres Gefühl
Im Flugbetrieb wird die „Foxtrott Bravo“, so die letzten beiden Buchstaben im Kennzeichen vorerst Eingewöhnungs- und Einweisungsflüge für Lizenzpiloten und Fluglehrer absolvieren. Der Umgang mit dem 29-PS-Zweitaktmotor will gelernt sein, möchte man ihn sicher auf Überlandflügen nutzen. Mit genug Erfahrung kann es dann auch bald auf erste Streckenflüge gehen. Die in Luftlinie gerade einmal 55 Kilometer entfernte Oder-Grenze Richtung Osten oder die weit sichtbare Cargolifter-Halle, knapp 30 Kilometer südlich von Friedersdorf sind für den Duo dann nur ein Katzensprung.
Besonders die Streckenflugausbildung in dem traditionsreichen Verein soll von dem leistungsstarken Doppelsitzer profitieren: „Der Duo Discus mit seiner Heimkehrhilfe gibt uns Fluglehrern die Möglichkeit, das raumgreifende Überland-Fliegen fern ab des Heimatflugplatzes mit unseren Flugschülern, aber auch jungen Lizenz-Piloten, selbst bei instabilen Wetterlagen zu üben — verbunden mit dem sicherem Gefühl an einem Sonntag-Nachmittag nicht auf einem Acker landen zu müssen.“, so Mathias Simon, ehemaliger Interflieger und Fluglehrer des Vereins.

Der Duo Discus (rechts) mit den beiden anderen Doppelsitzern Bocian (Mitte hinten) und Puchacz (links hinten).
Foto: Julius Wartig

Eine neue Generation
Mit einem SZD-50 Puchacz und einem SZD-9 Bocian wird in Friedersdorf geschult. Besonders fleißige Flugschüler schaffen es so in nur einem Jahr bis zu ihrer Lizenz. Der neue Duo Discus fügt sich hervorragend in die Schulungsflotte ein. Denn während sich Puchacz und Bocian zum Trudeln, für einfachen Kunstflug und Platzrunden eignen, benötigen sie für lange Flüge zuverlässige Thermik. Im Gegensatz dazu kann der Duo im „Sägezahnflug“, also dem abwechselnd langsamen Steigen mit Motor und Abgleiten der Höhe gut 100 Kilometer zurücklegen – ganz ohne Aufwinde und Thermik. Das macht ihn auch an Tagen mit unterdurchschnittlichem Wetter zu einer Option. Und nicht zuletzt ist der Duo Discus deutlich wartungsfreundlicher als die älteren polnischen Schulflugzeuge – und das freut den Werkstattleiter.
Der Flugplatz Friedersdorf war bis in die Wendejahre ein Zentrum der GST-Luftsportler. Neben Fallschirmspringern zählten auch verschiedene Sektionen verschiedener Betriebe zu den ständigen Nutzern – darunter die volkseigene Fluglinie Interflug. Ihr Name war es, der bis heute erhalten blieb – und viele ehemalige Betriebsangehörige fliegen und wirken auch heute noch auf dem Flugplatz. Einen Generationswechsel bei den Schulflugzeugen wird das neue Flaggschiff der „Interflug“ zwar nicht einläuten – aber es stellt doch einen enormen Fortschritt dar.
Noch in diesem Jahr wird sich zeigen, welche Möglichkeiten der Duo Discus noch bietet. Vielleicht bringt die Foxtrott Bravo ja in Zukunft sogar ein neues Wettbewerbsteam hervor? Es bleibt spannend in Friedersdorf und beim Luftsportclub Interflug Berlin.

Zuerst veröffentlicht in FliegerRevue 07/2021

Christoph Beckert